Und wie der Staat eine zunächst subventionierte Branche sterben lässt
Vor Kurzem teilte Greenpeace in einer Pressemeldung mit, weiterhin gegen die Einführung des Biokraftstoffs Ethanol ankämpfen zu wollen, weil dadurch angeblich Nahrungsmittel verknappen und sich verteuern würden. Diese Aussage ist durch fundierte Studien widerlegt worden, jüngst durch den „ForschungsReport 2/2008“ des Senats der Bundesforschungsinstitute im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Greenpeace war in der Vergangenheit bekannt als unabhängiger Umweltschützer und unterstützt jetzt indirekt die massive Flächenzerstörung durch die Gewinnung von Rohöl aus Ölschlamm sowie die Umweltverschmutzung durch leckende Pipelines, gestrandete Öltanker und brennende Ölfelder. Und das, obwohl umweltfreundliche Biokraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zur Verfügung stehen.
So werden beispielsweise nur 5% unserer gesamten Getreideernte zur Nahrungsmittelproduktion genutzt, ganze 60% werden zu Tierfutter und derzeit 3% zur Herstellung von Bioethanol verwendet. Das Abfallprodukt (Schlempe) wird teilweise zu Tierfutter aufbereitet und fließt damit in den bestehenden Kreislauf zurück. Des Weiteren werden einige Getreidesorten speziell für die industrielle Nutzung gezüchtet und angebaut und sind als Nahrungsmittel ungeeignet.
Die Behauptung, die hohen Getreidepreise des Jahres 2008 seien aus der großen Nachfrage der Ethanolindustrie entstanden, erwies sich schlicht als falsch. Die hohen Preise resultierten aus den weltweit rückläufigen Ernten und der gestiegenen Nachfrage aus Schwellenländern wie China. Dort wird deutlich mehr Getreide für die Tierfuttererzeugung benötigt, da sich immer mehr Menschen Fleisch als Nahrungsmittel leisten können.
Europäische Ethanolhändler, die in Brasilien Produktionsstätten unterhalten, engagieren sich stark für die Einhaltung der Nachhaltigkeitsverordnungen in ihren Anlagen. Der Einsatzwille der europäischen Ethanolwirtschaft ist vorhanden. Für die Kontrollen müssen die europäischen Regierungen nun die brasilianische Regierung in die Pflicht nehmen, damit auch die brasilianischen Produzenten die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen müssen.
Die Diskussion um die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Brasilien muss sicher geführt werden - jedoch nicht auf dem Rücken der heimischen Industrie. Die deutschen Ethanolproduzenten haben ihre Produktion stark zurückfahren und teils Kurzarbeit anmelden müssen, da der Ethanolbranche eine durchsetzungsstarke Lobby fehlt, die gegen die teils populistischen Aussagen von Mineralölindustrie, ADAC, Greenpeace und Co. angehen könnte.
Das Chaos für die deutsche Ethanolbranche wurde perfekt durch die mehrfache Änderung der Quotenregelung durch die Bundesregierung. Soll auch diese Branche durch einen Eingriff der Regierung hingerichtet werden, so dass der mächtigen Mineralölindustrie durch den günstigen Aufkauf von insolventen Produktionsstätten der Einstieg ins Ethanolgeschäft erleichtert werden kann? Bisher hielten die großen Mineralölgesellschaften sich noch abwartend zurück und ließen den Mittelstand die Aufbauarbeit für den Ethanolmarkt erledigen.
Sicherlich steckt Ethanol als Kraftstoff hierzulande noch in den Kinderschuhen - realistisch betrachtet ist Ethanol derzeit jedoch die einzige verfügbare regenerative Alternative zu mineralischen Rohstoffen. Aufgrund der Zusage der Bundesregierung zur Erhöhung der Biokraftstoffquote wurden hohe Summen in die aufstrebende Branche investiert, welche nun, nach Einfrieren bzw. Herabsenken des Bioanteils am Gesamtkraftstoffvolumen, zu verpuffen drohen. Doch nicht nur in der Ethanolproduktion sind tausende Arbeitsplätze gefährdet, auch für die heimische Landwirtschaft würde eine wichtige Ertragsquelle wegfallen und weitere Existenzen bedrohen. Bisher stellte der Ethanolmarkt eine hervorragende Möglichkeit dar, Überproduktionen sinnvoll zu verwerten und nicht auf den Brüsseler Butterberg kippen zu müssen.
Dazu noch das Eigentor der geschwächten deutschen Automobilindustrie, die auf dem europäischen Markt mit Sicherheit einen höheren Absatz durch E85-fähige Flexifuel-Fahrzeuge (so genannte „FFV“) erzielen könnte. Die technischen Vorrausetzungen dafür existieren seit vielen Jahren. Immerhin vertreiben unsere deutschen Automobilhersteller seit vielen Jahren Flexifuel-Fahrzeuge auf dem süd- und nordamerikanischen Markt. In Brasilien brachte Volkswagen bereits vor 16 Jahren den Gol (brasilianische Version des Golfs) mit Flexifuelmotor auf den Markt und feierte im März 2009 den Verkauf des zwei millionsten Ethanol-Fahrzeuges. Neben VW bieten auch Fiat, Peugeot, General Motors, Honda, Toyota und einige weitere Hersteller in Brasilien FFVs an. Langjährige Entwicklungsarbeit wurde längst geleistet - worauf also warten die deutschen Hersteller, die öffentlich gerne bekunden, alternative Technologien entwickeln zu wollen, um den innovativen Herstellern aus dem Rest Europas und Asien entgegentreten zu können?
Ein weiteres Hindernis im Vorankommen des Bioethanols stellte die Diskussion um die Einführung von E10 (Superbenzin mit 10% Ethanolanteil) als Regelkraftstoff Anfang 2008 dar. Zunächst hieß es von Seiten der deutschen Autohersteller, dass lediglich rund 375.000 Fahrzeuge E10 nicht vertragen würden. Kurz darauf wetterte der ADAC, es seien rund drei Millionen Fahrzeuge. Diese Zahl wurde vom Bundesumweltministerium Monate später sogar noch übertroffen. So sollten es sogar 3,3 Millionen Fahrzeuge sein, die den neuen Kraftstoff nicht vertragen können, darunter ca. 3,1 Millionen Autos ausländischer sowie 189.000 Einheiten deutscher Hersteller. Doch an diesen Zahlen wurde berechtigterweise gezweifelt. So schätzte „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer die Zahl der ausländischen Fahrzeuge, die E10 nicht vertragen würden, auf 200.000 bis 300.000, da bedeutende Importeure wie Toyota, Fiat, Peugeot, Citroen, Renault, General Motors (Saab, Chevrolet), Volvo und Hyundai ihre Freigaben längst erteilt hatten. Und auch bei Seat und Skoda, die 100% VW-Teile verwenden, kann davon ausgegangen werden, dass die Freigaben aus Wolfsburg auch für die Importmodelle gelten. Des Weiteren existieren bereits seit vielen Jahren E10-Freigaben fast aller Hersteller in den USA. Wer ist also für diese überhöhten Zahlen zuständig?
Normalbenzin wird kurz- bis mittelfristig vom Markt verschwinden. E10 ist ein geeignetes Ersatzprodukt, vorausgesetzt, dass unsere Bundesregierung die Einführung von E10 durch steuerliche Begünstigungen wie beim E85 unterstützt. Der Endverbraucher sollte entscheiden dürfen, welchen Kraftstoff er tankt: Herkömmlichen Superkraftstoff oder das vielleicht günstigere E10? Eine Bevormundung des Verbrauchers durch Lobbyisten, Politik und Verbände sollte ausgeschlossen sein.
Doch scheinbar hört der Großteil der politischen Entscheidungsträger lieber auf das schwammige Contra der vertrauten Stimmen aus dem Lager der Ölmultis, statt sich auch dem Pro der staatlichen Forschungsinstitute und neutraler Experten zu widmen. Eine objektive Meinungsbildung findet offenbar nicht statt. Sollte sich dies nicht rasch ändern, trägt der Staat nach der Biodieselbranche bald auch die Ethanolbranche zu Grabe.
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